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Geschäfts- und Pressebericht des Arbeitsgerichts Mannheim für das Jahr 2016
Datum: 17.02.2017
Das Arbeitsgericht Mannheim übt die Gerichtsbarkeit erster Instanz in Arbeitssachen für die Stadtkreise Mannheim und Heidelberg sowie die Landkreise Rhein-Neckar-Kreis und Neckar-Odenwald-Kreis aus. Der Sitz des Arbeitsgerichts befindet sich in Mannheim. Es sind insgesamt 15 Kammern eingerichtet. Hiervon haben vier Außenkammern ihren Sitz in Heidelberg. Vom Stammgericht in Mannheim aus werden darüber hinaus Gerichtstage in Mosbach abgehalten. Auch im Jahr 2016 waren drei Kammern des Arbeitsgerichts durch Abordnungen und Elternzeit teilweise nicht besetzt.
Geschäftsentwicklung
Im Jahr 2016 blieben die Klageeingänge bei den Kammern Mannheim und den Kammern Heidelberg in etwa auf dem Niveau der Vorjahre seit 2010. Im Vergleich zu 2015 stiegen die Eingänge leicht auf insgesamt 5.250 (Verfahren), davon 171 Mahnverfahren. Hierbei waren die Eingänge in den Monaten März, Juli und August überdurchschnittlich hoch. Die übrigen Monate waren wie im Vorjahr moderat. Es gelang die Verfahren zügig zu bearbeiten und den Bestand der Verfahren auf nahezu gleichem Niveau zu halten.
Auf die Kammern Mannheim inklusive der Kammer, die für den Gerichtstag in Mosbach zuständig ist, entfielen von den Klageeingängen 3.573 Verfahren. Diese setzen sich aus 3.452 Urteilsverfahren und 121 Beschlussverfahren zusammen. Bei den Urteilsverfahren handelt es sich überwiegend um Klagen von Arbeitnehmern gegen Arbeitgeber, sehr häufig nach zuvor erfolgten Kündigungen. Bei den Beschlussverfahren hingegen geht es in der Regel um Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Daneben war noch der Eingang von 114 Mahnverfahren zu verzeichnen. Zu Beginn des Jahres 2016 waren bei den Kammern Mannheim 845 Altverfahren anhängig. Die Bestandszahlen der Kammern Mannheim stiegen leicht auf 931 Verfahren.
Auf die Kammern in Heidelberg entfielen bei einem Grundbestand von 419 Altverfahren 1.506 neue Verfahren. Hierbei handelte es sich um 1.463 Urteils- und 43 Beschlussverfahren. Hinzu kamen noch 57 Mahnverfahren. Die Bestandszahlen bei den Kammern Heidelberg stiegen ebenfalls leicht auf 466 Verfahren.
Mit einer Quote von 69,4 % mündeten im Jahre 2016 mehr als 2/3 aller Verfahren in einen Vergleich. Wünschenswerterweise erlangten die Prozessparteien dadurch meist zu einem frühen Zeitpunkt die notwendige Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.
Güterichterverfahren
Seit der flächendeckenden Einführung des Güterichterverfahrens bei den Arbeitsgerichten in Baden-Württemberg am 01.01.2015 hat sich das Güterichterverfahren beim Arbeitsgericht Mannheim sehr gut etabliert. Der Güterichter - dies sind beim Arbeitsgericht Mannheim zwei Richter und zwei Richterinnen - ist fester Bestandteil der gerichtlichen Tätigkeit. Das Verfahren macht es möglich, zum Güterichter verwiesene Rechtsstreitigkeiten in freier Verfahrensgestaltung unter Anwendung aller Methoden der Konfliktbeilegung und hierbei insbesondere auch der Mediation einer Einigung zuzuführen. Scheitert die Einigung, wird das Verfahren vor dem zuständigen Prozessrichter fortgeführt. Das Güterichterverfahren hat sich in den vergangenen Jahren beim Arbeitsgericht Mannheim in vielen Fällen bewährt und zu einer Streitbefriedung der Parteien geführt.
Besetzung und Belastung
Im Jahre 2016 erreichte das Arbeitsgericht Mannheim einen Pebb§y-Deckungsgrad (Kosten-Leistungsrechnung) von 96,88 %*. Dieser liegt unter dem Durchschnitt der Arbeitsgerichte in Baden-Württemberg von 105,2 %**.
* Zahlen hochgerechnet und geschätzt, da die Jahreszahlen aufgrund eines Systemfehlers nicht zur
Verfügung stehen
** 9 Monate bis 30.09.2016
Darüber hinaus entspricht der ermittelte Pebb§y-Deckungsgrad nicht der tatsächlichen Arbeitsbelastung der Richterinnen und Richter des Arbeitsgerichts Mannheim, da - wie auch in den Vorjahren - das Arbeitsgericht Mannheim im Richterbereich ständigen Personalveränderungen unterlag. Die dadurch entstehende Mehrbelastung der Richterinnen und Richter zeichnet die ermittelte Statistik nicht ab, da der Pebb§y-Deckungsgrad lediglich die Eingangsbelastung abbildet und die von den verbleibenden Richtern zu übernehmenden Verfahren abwesender Kollegen und Kolleginnen in der Statistik keinen Niederschlag findet. Im Jahr 2016 waren im Jahresdurchschnitt beim Arbeitsgericht Mannheim ungefähr 9,5 Richterstellen besetzt. Aktuell sind 14 Richter und Richterinnen mit einem Gesamtdeckungsgrad von 10,6 AKA beim Arbeitsgericht Mannheim tätig. Eine Kollegin ist in Elternzeit. Aufgrund ihres Mutterschutzes und ihrer anschließenden Elternzeit wurde zu Beginn des Jahres 2016 erneut der Tiefstand von 9,5 AKA richterlicher Tätigkeit erreicht. Am 01.07.2016 endete die Erprobungsabordnung einer Richterin zum Landesarbeitsgericht, wodurch sich die richterliche AKA nach ihrer Rückkehr erhöhte. Da eine andere Kollegin ihre Arbeitszeit auf 0,5 AKA reduzierte, erhöhte sich der Wert der richterlichen Tätigkeit lediglich auf 10,0 AKA. Mit dem 01.10.2016 stieg dieser Wert aufgrund der Rückkehr einer weiteren Richterin, die sich in der Erprobungsabordnung beim Landesarbeitsgericht befunden hatte, auf 10,6 AKA. Aufgrund einer langandauernden Erkrankung einer Richterin seit August 2016 über das Jahresende hinaus verringerte sich dieser Wert allerdings entsprechend.
Um den Richtwert von ca. 500 bis 600 Verfahren pro Vollzeitrichterstelle, der eine qualitativ gute und zeitnahe Sachbearbeitung der Verfahren gewährleistet, zu erreichen, ist die Besetzung aller 15 Kammern mit einem Richtervolumen von ca. 11-12 AKA wünschenswert. Dann kann zügiger Rechtsschutz, der im Arbeitsrecht sowohl für Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber von herausragender, oftmals sogar von existenzieller Bedeutung ist, gewährleistet werden. Die immer wieder auftretenden Vakanzen können nicht dauerhaft aufgefangen werden. Eine möglichst zeitnahe Sachbearbeitung und dadurch zu erzielende schnelle Rechtssicherheit stellen positive Arbeitsmarktpolitik dar und stärken auf diese Weise die Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg.
Pebb§y-Erhebung 2016
Das Arbeitsgericht Mannheim hat als eines von 17 Arbeitsgerichten im Bundesgebiet im 1. Halbjahr 2016 im Rahmen einer neuen Pebb§y-Erfassung die in diesem Zeitraum anfallende Arbeitsmenge minutengenau erfasst. Das Endgutachten zur Pebb§y-Fortschreibung 2016 wurde nunmehr vom bearbeitenden Beratungsunternehmen freigegeben. Durch diese Erhebung wird das „Personalbedarfsberechnungssystem“ der Justiz im Bereich der Fachgerichtsbarkeiten fortentwickelt. Die konkreten Auswirkungen auf die Pebb§y-Deckungsgrade lassen sich allerdings erst dann feststellen, wenn die neuen Basiszahlen in das System eingestellt werden konnten und die Gerichte daher in der Lage sein werden, mit den neuen Basiszahlen zu rechnen.
Es ist zu hoffen, dass das Ergebnis der Erhebung zu einer verbesserten Personalausstattung der Gerichte führt. Weitere Personaleinsparungen im Unterstützungsbereich können nicht mehr hingenommen und nicht mehr kompensiert werden. Nach dem Endgutachten der Pebb§y-Fortschreibung 2016 würde eine Personalreduzierung zu einer Personalunterdeckung führen.
e-Justice
Die Justiz in Baden-Württemberg plant die Einführung der elektronischen Akte parallel zur Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs. Damit soll die Justiz zukunftsfähig gehalten und die Vorteile der „digitalen Welt“ genutzt werden. Seit dem Frühjahr 2016 ist die Pilotierung der elektronischen Aktenführung beim Arbeitsgericht in Stuttgart und beim Landgericht in Mannheim gestartet. Die Arbeitsgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg wird als erste Gerichtsbarkeit die elektronische Akte flächendeckend einführen. Dies ist derzeit zu Ende 2017 geplant. Die flächendeckende Einführung wird einen erhöhten Personalbedarf im Servicebereich hervorrufen. Soweit dies bisher beurteilt werden kann, ist das e-Justice-Projekt des Justizministeriums auf dem richtigen Weg und die E-Akte könnte ein vielversprechendes Produkt werden, mit dem sich gut arbeiten lässt. Die erfolgreiche Einführung und Arbeit mit der E-Akte ist jedoch abhängig von einer ausreichenden Personalausstattung im Unterstützungsbereich.
Die Fortführung des im Jahr 2011 vom Landtag beschlossenen Stellenabbauprogramms und die fehlende Personalaufstockung während der ersten Jahre der Einführung wäre kontraproduktiv. Mangelnde Verstärkungen oder gar weitere Einsparungen im Unterstützungsbereich könnten bei Einführung der E-Akte nicht ohne Qualitätsverlust bewältigt werden. Bei ausreichender Personalausstattung werden unsere motivierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gerne ihren Teil dazu beitragen, die E-Akte in Baden-Württemberg zu einem Erfolgsmodell werden zu lassen. Ihrer Motivation und ihrem großen Einsatz ist es zu verdanken, dass die Verfahren bislang stets zügig und gewissenhaft abgewickelt werden konnten.
Öffentlichkeitswirksame Verfahren
Auch im Jahr 2016 waren wieder zahlreiche Verfahren für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse: So ergingen gleich zu Jahresbeginn mehrere einstweilige Verfügungen, die das Möbelhaus "XXXL Mann Mobilia" betrafen. Das Unternehmen hatte Ende Januar fast 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt sowie den Betriebsrat aufgefordert, sein Büro an einen anderen Ort zu verlegen. Die Aufforderung zur Verlegung des Büros sah das Arbeitsgericht als rechtswidrig an, die Anträge, Umstrukturierungsmaßnahmen am Standort Mannheim zu unterlassen, wurden hingegen abgewiesen. Auch das Unternehmen General Electric (GE) beschäftigte das Arbeitsgericht gleich in mehreren Verfahren. Der Konzernbetriebsrat und die Arbeitgeberin einigten sich bezüglich der Frage, ob die Arbeitgeberin den Gesamtwirtschaftsausschuss im Zusammenhang mit angekündigten Restrukturierungsmaßnahmen ausreichend informiert habe, auf die Einsetzung einer Einigungsstelle (innerbetriebliche Schlichtungsstelle) unter Vorsitz des ehemaligen Vizepräsidenten des Arbeitsgerichts Mannheim, Lothar Jordan. Auch bezüglich des Versuchs eines Interessenausgleichs sowie der Aufstellung eines Sozialplans hinsichtlich der beabsichtigten Betriebsänderungen einigten sich die Beteiligten, eine Einigungsstelle unter gleichem Vorsitz einzusetzen. Für die Öffentlichkeit von Interesse war des weiteren ein vor den Kammern Heidelberg verhandelter Fall, in dem es um die Kündigung eines Zugführers der DB Regio GmbH ging. Dieser hatte auf Facebook ein Foto des Konzentrationslagers Auschwitz eingestellt und in polnischer Sprache ergänzt: "Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme" . Das Arbeitsgericht stellte nach erfolgter Interessenabwägung die Unwirksamkeit der Kündigung des zuvor langjährig beschäftigten Arbeitnehmers fest. Diese Entscheidung ist zwischenzeitlich rechtskräftig geworden.
In einigen weiteren Verfahren, über die ebenfalls in den Medien berichtet wurde, kamen gütliche Einigungen zustande. So endete sowohl der Streit um die Kündigungen von zwei Verkäuferinnen eines Hofladens wegen fehlenden Bargelds als auch der Prozess zwischen einer Physiotherapeutin und dem Uni-Klinikum Mannheim um die Rückzahlung von Schulgeld mit einem Vergleich.
Maier Faggin
Präsident des Arbeitsgerichts Richterin am Arbeitsgericht
Miess
Richterin am Arbeitsgericht